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Geschichte des Russischunterrichts am Elly

РУССКИЙ ЯЗЫК В НАШЕЙ ГИМНАЗИИ

DIE RUSSEN AM ELLY
SCHON 42 JAHRE

Als ich ans Elly kam und die Bäume rings ums Schulhaus noch klein waren, gab es sie schon, „Die Russen“. Ja, die ersten Schülerinnen hatten 1974 in diesem Fach bereits Abitur gemacht.

„Die Russen“ damals – das waren einheimische, in der Regel schwäbische Abenteuerlustige, die Russisch lernten, und Herr Samek und ich, die wir das Fach unterrichteten.
Die echten Russen und auch die Russlanddeutschen kamen erst später. Denn damals gab es noch den Eisernen Vorhang. Sie konnten also gar nicht am Elly sein.

Seit 1969 wird Russisch als Fremdsprache am EHKG unterrichtet, womit das EHKG im Stadt- und Landkreis Heilbronn einzigartig dasteht, denn nur hier kann man eine slawische Sprache erlernen, Russisch eben.
Die Anregung, Russisch als Schulfach am EHKG zu etablieren, kam damals vom Ministerium.
Warum nicht? Hatte nicht auch unser schwäbischer Dichter Friedrich Schiller Russisch an der Karlsschule gelernt? Hatten nicht die württembergischen Könige russische Großfürstinnen geheiratet? Gab es nicht mittlerweile Verträge, die den Dialog mit dem Osten eröffnen sollten?
Zum Dialog gehört die Kenntnis der Sprache und Kultur. Sie ist das Herzstück der „Kommunikativen Kompetenz“, die auch die Bildungsstandards 2004 beharrlich einfordern.
Und dann hatte doch die Namenspatronin unseres Gymnasiums Elly Heuss-Knapp mütterlicherseits einen russischen Großvater. Er hieß Karganow und war Kommandant der
Festung Nuka und spielte eine wichtige Rolle im Kaukasusfeldzug 1851. Einzelheiten dazu
sind in der Erzählung „Hadschi-Murat“ von L. N. Tolstoj nachzulesen, in der eben jener
Karganow sogar namentlich gewürdigt wird.
Diese Überlegung allerdings war gewiss nicht für die Einführung des Faches entscheidend,
wahrscheinlich war diese biographische Verbindung sogar unbekannt und wurde erst 1981
zum 100. Geburtstag von Elly Heuss-Knapp von Russischschülern entdeckt und bei der Jubiläumsausstellung präsentiert.

Also, seit 1969 gibt es das Fach Russisch am EHKG. Das Erlernen der Sprache ließ auch bald den Wunsch wach werden, in die Sowjetunion, nach Moskau, zum Kreml, zu reisen, ins „Zentrum des Bösen“. Im Sommer 1976 war es so weit: Die Russen fuhren zu den Russen.
Sorgenvolle Gesichter der zurückbleibenden Eltern auf dem Kraichgauplatz, Busfahrt nachts zum Frankfurter Flughafen. Würde man auch wiederkommen? Flug mit Aeroflot, umstellen der Uhr, vierstündige Pass- und Zollkontrolle am Moskauer Flughafen, endlich waren wir da. Großartig waren die Eindrücke. Oder erschreckend? Abenteuerlich, herzlich die Begegnungen mit den Menschen. Befremdlich auch. Erinnerungen: der Rote Platz bei Nacht, rote Sterne auf den Kreml-Türmen, Lenin im Mausoleum, Abschiedstränen, ein verschwundener Koffer…

Es folgten weitere Studienfahrten in zweijährigem Rhythmus. Moskau und Leningrad waren die Ziele. 1985 machten wir erste Erfahrungen mit der Perestrojka. Gorbatschow war an die Macht gekommen. Man ließ uns mehr Freiheit. Die Reiseleiterin verabschiedete sich um 16 Uhr und ließ uns gewähren. Geht doch, wohin ihr wollt! Sprecht mit wem ihr wollt!
Wir wurden Zeitzeugen eines historischen Vorgangs.
Dann geht alles sehr schnell: Abrüstungsverträge. Zerfall der Sowjetunion, Hammer und Sichel verschwinden – eine neue Flagge flattert über den Regierungsgebäuden: Die Stadtfarben von Heilbronn? Ja, aber in anderer Anordnung: weiß, blau rot. Öffnung des Eisernen Vorhangs, die Russen dürfen ins westliche Ausland reisen.
Ein Chor aus Kischinjow besucht uns 1990. Schulpartnerschaften entstehen, Schüleraus-
tausch wird möglich. Seit 1994 besuchen uns in diesem Rahmen die echten Russen aus dem Städtischen Gymnasium Nr.75 Sankt Petersburg (das vor kurzem noch Leningrad hieß) zusammen mit ihrer Lehrerin. Seither waren wir regelmäßig dort, haben in den Familien der Partner gelebt und das neue Russland kennen gelernt mit seinen vielen Kontrasten. Ein Russland, das sich nicht mühelos erschließt, jedoch wundervolle Erfahrungen bereithält, aber auch Enttäuschung auf beiden Seiten.

Zu uns Russen am EHKG gesellen sich seit 1989 auch Russlanddeutsche, die mit ihrem Sprach- und Sachwissen den Unterricht bereichern. Interkulturelles Lernen – eine stete Herausforderung für Schüler und Lehrer und eine besondere Chance. Russische Laute, vor
42 Jahren eher selten im Alltag zu hören, begleiten uns heute beim Einkauf, im Bus, beim Bummeln über die Schanz. Lebendiges Sprachtraining. Hörverstehen. Verstehen.

Was gibt es noch zu berichten von den Russen Am Elly?
Erfolge gab es. Medaillen, goldene und silberne, errangen sie bei Russisch-Olympiaden auf Landes- und Bundesebene, ja sogar fünf Mal bei der internationalen Olympiade in Moskau: 1981, 1987, 1990, 1998, 2007.
Zweimal waren Schülerinnen mit den Sprachen Russisch, Englisch und Französisch beim Bundeswettbewerb Fremdsprachen so erfolgreich, dass sie in die Studienstiftung des deut-
schen Volkes aufgenommen wurden: 1989 Alexandra Hey, 1995 Jitka Stejskal.

Russische Teestuben gab es bei Schulfesten. Und Einakter von Tschechow.
Viel gelesen und erfahren hat man im Unterricht, und immer wieder haben Schülerinnen und Schüler das Fach Russisch in ihr Berufsleben eingebracht.

Viel Freude hat sie gemacht, die Arbeit mit Russisch und den Russen am Elly. Viel Freude bereitet sie noch. Russisch ist aufregend, lohnend, schön! Leicht gewiss nicht!!
КТО ХОЧЕТ МНОГО ЗНАТЬ, ТОМУ МАЛО СПАТЬ!
WER VIEL WISSEN WILL, DARF WENIG SCHLAFEN.
(Zitat aus der Abizeitung 1988, LK Russisch)

In diesem Sinne: BLEIBEN WIR WACH!!

Gudrun Sauter, April 2011